Deutschland hat verpennt. Die Möglichkeit, das Internet in eine neue Richtung zu lenken wurde unterbunden, aus einer „komischen, unbegründeten Angst“ heraus und von dominierenden Datenschutzlobbys. Was daraus geworden ist? Eine Nation von „Digital Negatives“.
Zumindest war dies der Ausgangspunkt für die Session von Christian Scholz. Er klagt von „Braucht das irgendwer?“-Reaktionen und dem ungleichen Verhältnis zwischen der teils begründeten Angst vor den Gefahren des World Wide Web und der verschwindenden Bereitschaft, sich einfach mal auf Neues einzulassen. Er klagt und die Teilnehmer klagen. Von den verankerten Erwartungen, doch nur betrogen zu werden. Darüber, dass Gefahren doch nun mal überall lauern, online wie offline, dass sie nur anders kommuniziert werden.
„Der Ansatz der Datenvermeidung ist doch total unrealistisch“, so Scholz. Medienkompetenz bleibt das Zauberwort. „Aber es darf nicht immer nur darum gehen, wer, was, wann, wie nicht tun soll. Es muss doch auch gezeigt werden, was getan werden soll!“ Es wird versucht, den Fremden zu verstehen, den noch nicht Angekommenen, den Ängstlichen. „Diese Angst, das ist das Grundproblem der Deutschen.“ Schafft man es nicht, die Ängstlichen einzubinden oder will man es nicht?
Die Session hat direkt mit einer offenen Diskussion begonnen, ohne Rederechtsunterschied. Das höchste Gut des Internets, die Interaktivität, sie hat sich schon fest in der Diskursvorstellung verankert. Was verändert denn nun eigentlich wen? Wir das Internet? Oder das Internet uns? In der Runde häufen sich die Wünsche nach mehr Möglichkeiten, die Dinge im Kleinen und dafür selber zu verändern. Den Mut aufzubringen, mal was weiter zu machen.
Der größte Feind ist schnell gefunden: Politische Entscheidungsträger, die nicht wissen, was in der neuen Welt passiert und Lobbygruppen, die ahnen, was passieren wird und dies bewusst unterbinden. Ein Teufelskreis, denn ohne Förderung kein Fortschritt, ohne Öffentlichkeit kein Zulauf. Die einzige Chance: Warten, bis die Digital Negatives ausgestorben sind und die Natives sich nicht mehr auf eine Interessengruppe beschränken, man den Begriff der Digital Natives schon nicht mehr braucht, weil er zu etwas Selbstverständlichem geworden ist. Aber wohin führt das? Mehr Toleranz? Mehr Mut? Ist das wirklich der Trend der Entwicklung? Im Internet gibt es keine Grenzen, es gibt keine Unterscheidung außer der, welche die Webgemeinschaft setzt.
Ein geschlossener Zirkel, eine kleine Kommune von Utopisten bis Techniknerds. Man will sich selber definieren dürfen, nimmt aber keine Definitionen an. Ein laufender Prozess darf nicht durch Rationales geblockt werden und das Internet, das rennt und rennt. Wer nicht schon auf den Zug aufgesprungen ist, für den ist es schon zu spät. Die Gesellschaft von morgen, die auszulebenden Ideologien, die in den Herzen der Menschen schlummern, sie werden nicht auf der Straße gefordert, werden nicht auf der Straße diskutiert. Sie wird in den Blogs entworfen, von Menschen, die sich einer Welt ohne Grenzen die Welt bauen, in der sie leben wollen. Man kann nur hoffen, dass die Diskussionen in der Welt ohne Grenzen sich in Zukunft nicht mehr auf einen elitären Kreis begrenzen. Die Diskussion der Session verlagert sich nach ihrem Ende in die Raucherpause. Ein erstes Weiterreichen, immerhin.
(Artikel von Viviane Petrescu)
Samstag, 20. März 2010
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen