Dienstag, 4. August 2009

Entwicklungsarbeit: „Weg vom klassischen Brunnenbohrer!“

Ihre Arbeit findet oft abseits des öffentlichen Fokuses statt - ein Schattendasein sollte Entwicklungspolitik dennoch nicht fristen. Ein Interview mit Stefan Leiderer, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) über Ziele, Wirksamkeit und Zweifel in der Entwicklungspolitik.

Politikorange: Entwicklungshilfe, das ist erst einmal ein ziemlich großes Wort. Wo beginnt das?

Stefan Leiderer: Das lässt sich nicht immer so klar abgrenzen. Da spielen ganz viele Themen eine Rolle. Zum Beispiel Klimapolitik, aber auch Sicherheitspolitik. Themen, die erst auf den zweiten Blick mit Entwicklungszusammenarbeit zu tun haben, dennoch als Faktoren entscheidend sind. Die Übergänge sind oft fließend. Das spiegelt aber auch einen Kernbereich der Entwicklungspolitik wieder: Schnittstellen zu bearbeiten, alle Auswirkungen auf die Entwicklungsländer mit zu berücksichtigen.

PO: Klingt Entwicklungspolitik dann nicht auf einmal wie etwas sehr Fernes, für den normalen Bürger gar nicht greifbar?

Stefan Leiderer: Das ist ein ganz wichtiger und schwieriger Punkt. Einerseits hat sich das ganze Thema Entwicklungshilfe in den letzten Jahren sehr professionalisiert, weg vom klassischen Brunnenbohrer, der auf eigenes Risiko in abenteurreichen Regionen den Armen hilft. Wir reden hier von einem sehr anspruchsvollen Arbeitsgebiet, wo auch vieles falsch gemacht werden kann. Entwicklungshilfe wird in den nächsten Jahren hoffentlich noch wirksamer, aber es führt bis zu einem gewissen Grad auch zu einer Entfremdung. Was passiert und was in der Öffentlichkeit als Bild exisitiert, das sind oft zwei ganz unterschiedliche Dinge. Wir helfen eben nicht nur armen Kindern mit großen Augen wie man sie auf vielen Plakaten der Hilfsorganisationen sieht, sondern da passiert so viel mehr. Entwicklungshilfe ändert sich und das ist auch gut so.

PO: Die Schere zwischen arm und reich, zwischen entwickelt und rückständig klafft immer weiter auseinander. Lässt sich dieser Trend überhaupt noch stoppen?

Stefan Leiderer: Man muss da differenzieren: einige Ländern holen extrem auf und sind oft dafür verantwortlich, dass sich die Indikatoren im globalen Durchschnitt verbessern. Vor allem China macht unglaubliche Fortschritte. Neue Entwicklungsdynamiken der letzten zwanzig Jahre zeigen aber auch, dass dabei viele weniger entwickelte Länder, vor allem in Afrika, abgehängt wurden. Das führt natürlich dazu, dass die Reich/Arm-Schere trotzdem weiter auseinander klafft.

PO: Wie wichtig ist Transparenz in der Entwicklungsarbeit? Gerade für die Bevölkerung der Geberländer, zu wissen, wohin das Geld fließt, um auch entsprechend dahinter stehen zu können, aber auch für Nehmerländer, um ihren Teil bei Projekten zu leisten?

Stefan Leiderer: Dieses Problem kann im Zuge jüngerer Reformen noch vehementer werden. Die ganze Dynamik setzt sehr viel stärker auf Hilfe, bei der der einzelne Geber weniger sichtbar ist. Kein Krankenhaus mit deutscher Fahne mehr, sondern gemeinschaftliche Beiträge, die in einen gemeinsamen Finanzierungs-Pool wandern, aus dem dann diverse Projekte und Programme gefördert werden. Das kann sich natürlich negativ auf die Legitimtät der Entwicklungspolitik in den Geberländern auswirken, wenn nicht mehr klar sichtbar ist: mit eurem Steuereuro wurde genau dieses Krankenhaus gebaut!

PO: Aber liegt nicht oft auch ein Problem bei den Geberländern? Es ist ja oft die Rede von „globaler Strukturpolitik“ - das würde aber nicht nur ein Zusammenwirken aller bedeuten, sondern auch Richtlinien, an die es sich zu halten gilt. Sind viele Industrieländer dafür nicht zu egoistisch und mehr auf eigenen Profit bedacht?

Stefan Leiderer: Es ist ja nicht so,als hätten alle reichen, westlichen Demokratien nur altruistische Ziele. Eigeninteresse ist auch legitim, die Verantwortung gegenüber der eigenen Wählerschaft darf ja auch nicht vergessen werden. Zu einem Problem wird das erst, wo Interessen nicht mehr transparent sind, andere vorgeschoben werden. Aber da hat wiederum die Entwicklungspolitik die Aufgabe, für einen Ausgleich der Interessen und Kohärenz zu sorgen.

PO: Soziales Ungleichgewicht muss ja aber eigentlich gar nicht erst im Ausland gesucht werden- das haben wir auch hier in Deutschland, direkt vor der Haustür. Wieso ist es trotzdem wichtig, anderen Ländern zu helfen, auch Geld zu investieren?

Stefan Leiderer: Natürlich gibt es auch im reichen Westen viel Leid und viel Armut. Aber dafür gibt es auch ein sehr starkes öffentliches Bewusstsein. Und das eine schließt das andere ja keinesfalls aus - natürlich herrscht eine gewisse Konkurrenz um die knappen Mittel, aber wenn man sich anschaut, um was für Summen es geht, dann ist das zwar viel Geld.Doch im Vergleich zu anderen Posten im Bundeshaushalt ein lächerlich geringer Teil. Selbst wenn Fördermittel für die Entwicklungspolitik eingespart würden- der Hartz4-Satz würde sich trotzdem nicht verdoppeln lassen. Ausserdem dient Entwicklungspolitik ja nicht nur dem Kampf gegen Armut. Es geht auch darum, die wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen für ein nachhaltiges Wachstum in der Welt zu schaffen, zu Sicherheit und dem Erhalt der Umwelt beizutragen, für mich selbst und für alte und neue Wirtschaftspartner.

Das Gespräch führte Viviane Petrescu; Fotos von Zeno F. Pensky

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