Mittwoch, 5. August 2009

Große Ziele, kleine Wirkung

Auf der Millenniumskonferenz der Vereinten Nationen im Jahr 2000 haben sich die Mitgliedsstaaten bis 2015 viel vorgenommen. Mehr als die Hälfte der Zeit ist nun rum. Was sich bis jetzt getan hat untersuchten die Teilnehmer des Workshops „Millennium Developement Goals“ auf der „undjetzt?!“- Konferenz in Potsdam.

Alle, damalig noch, 189 Mitgliedsstaaten einigten sich auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2000 einstimmig auf die Entwicklungsziele.
Sie haben einen rein empfehlenden Charakter und sind nicht rechtlich bindend. Die Ziele sind eine politische Willenserklärung.

Ronny Heintze, Vorstandsmitglied bei der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen im Landesverband Nordrhein- Westfalen, leitet den Workshop.
In der Gruppe erarbeiten Teilnehmer die Ziele und präsentieren ihre Einschätzung zur Erreichbarkeit bis 2015.

Extreme Armut halbieren

Eines der acht Ziele ist es, die extreme Armut zu halbieren. 1990 hatten zweiundvierzig Prozent der Menschen in Entwicklungsländern weniger als einen US$ pro Tag zur Verfügung. Im Jahr 2005 sinkt diese Prozentzahl auf fünfundzwanzig Prozent. Einer der Hauptgründe dafür ist das Wirtschaftswachstum in China. Allerdings ist die Anzahl der Menschen, die weniger als einen Dollar am Tag haben in Subsahara- Afrika, gegenüber 1990, im Jahr 2005 angestiegen.
Statistisch besteht die Möglichkeit, dass das Ziel erreicht werden kann. Es stellt sich aber die Frage wie viel ein solches Ziel Wert ist, da es möglich sei, das Ziel zu erreichen ohne das sich die Realsituation verbessert habe. Wenn der Dollar nämlich, wie jetzt gerade, schwach ist, ist er auch weniger wert. Die Menschen haben also umgerechnet mehr Dollars pro Tag zur Verfügung und könnten aus der Statistik herausfallen. Wenn nun aber die Teuerungsrate - die Inflation - steigt und das Kilo Reis mehr kostet, hat sich real für die Menschen nichts verändert, obwohl sie in der Statistik nicht mehr auftauchen. So wäre das Ziel erreicht, aber nicht im Sinne des eigentlichen Entwicklungsziels.

Ein weiteres Ziel ist, dass alle Kinder weltweit bis 2015 die Grundschule beenden sollen. Zehn Prozent von ihnen schließen das letzte Grundschuljahr nicht ab. Die Hälfte der Kinder kommt aus Subsahara- Afrika.

Das dritte Ziel ist die Gleichstellung von Mann und Frau. Es ist ein unrealistisches Ziel, befinden die Teilnehmer. In weniger als eindrittel der Staaten sei die Gleichberechtigung bis 2007 Realität. „Es zeichnet sich keine konstante Verbesserung ab“, stellen die Teilnehmer fest. „Man kann Gleichstellung nicht verordnen“, dass sei ein langwieriger Prozess.

Senkung der Müttersterblichkeit am wenigsten entwickelt

Die Kindersterblichkeit der unter Fünfjährigen soll bis 2015 um zweidrittel gesenkt werden. Diese Zahl sinkt zwar seit 1990, aber in Asien und Subsahara- Afrika gebe es keine großen Veränderungen. Die mangelnde Vitamin A- Zufuhr, fehlende Moskitonetze und Impfungen werden als Ursache genannt. Die Erreichung dieses Zieles hängt sehr von dem Ziel ab die Müttersterblichkeit zu senken.
Das sei eines der am wenigsten entwickelten Ziele. Komplikationen bei der Geburt ist der Hauptgrund. Medizinische Einrichtungen sind nur schwer zu erreichen oder fehlen ganz. Das macht Voruntersuchungen oft unmöglich und führt dazu, dass die Frauen keine Unterstützung bei der Geburt haben.

Das sechste von acht Millenniumszielen ist die Verbreitung von HIV und Malaria zu stoppen. Zudem sollen Medikamente zur Behandlung von Aids zugänglich gemacht werden. Die medikamentöse Behandlung von HIV könne allerdings nur verantwortungsvoll sein, wenn der lebenslängliche Zugang der Medikamente für den Betroffenen gesichert sei. Wenn die Behandlung unterbrochen wird, werde der Körper immun gegen das Medikament.

Bei dem siebten Ziel, der ökologischen Nachhaltigkeit, müsse man differenzieren. In der CO2- Senkung der Industrie ist in Europa viel erreicht worden. Rechnet man aber China und Indien mit dazu, sei die globale Bilanz drastisch. Auch die Waldrodungen ergeben keine positive Bilanz in der Nachhaltigkeit, da mehr gerodet als gepflanzt wird.
Der Wasserverbrauch konnte aufgrund von neuen Bewässerungsmethoden reduziert werden. Positiv sei auch, dass die Kurve des Artensterbens sich verlangsamt hat.
Ob das Ziel erreicht werden kann sei schwierig einzuschätzen, da sich die einzelnen Faktoren untereinander beeinflussen. Solange aber Umweltschutz als Ausgabe und nicht als Investition gesehen werde, sei die Erreichung des Ziels unrealistisch.

Utopische Ziele und „Pseudowege“

Das letzte Ziel ist die globale Partnerschaft. Hier sollen durch Subvention des fairen Handels, Schuldenerlass und ein vorantreiben der Technisierung die Entwicklungsländer unterstützt werden. Auch hier ist Subsahara- Afrika deutlich im Nachteil. Sechsundvierzig von Hundert Menschen in Entwicklungsländern nutzen das Internet, davon nur vier aus Subsahara- Afrika.

Ein Problem bei den Zielen sei, dass allein die Reduktion eines statistischen Wertes nicht unbedingt das Kernproblem behebe, stellen die Teilnehmer fest. Andererseits sei es nötig etwas messbar zu machen, um es verbessern zu können.

Trotzdem sei es ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn die Ziele nicht immer das Problem an der Wurzel packen, da ein Prozess ins Rollen gebracht wurde. Auch sei es gut, dass sich 189 Länder auf das Formulieren von Zielen einigen konnten und einen gemeinsamen Nenner gefunden haben. Selbst wenn die Ziele rechtlich nicht verpflichtend sind, sei es immerhin ein politisches Druckmittel.

In dem Zusammenhang erinnert Heintze daran, dass jeder Einzelne zur Durchsetzung der Ziele beitragen kann. Beispielsweise sei es vor der Wahl ein guter Zeitpunkt Kampagnen als politisches Druckmittel zu benutzen. Kampagnen wie „Stand-up“, die von „No- excuse 2015“ organisiert wurden und mit Aktionen mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, um die Ziele nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Text von Esther Sarach, Fotos von Zeno F. Pensky

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