Mittwoch, 5. August 2009

Uns gehört die Welt. Macht und Machenschaften der Multis


Schweigend betritt er die Bühne, schaut ins Publikum, schneidet Grimassen, ignoriert Lacher und Zwischenrufe. Dann, nach zwei beharrlichen Minuten, endlich die ersten Worte des Dienstagabend-Vortrags: „Guten Abend. Meine Name ist Klaus Werner-Lobo. Wie heißt ihr?“
Eine Demonstration von Macht, sei dieser Auftritt gewesen, erklärt der Autor, Journalist und Clown den 150 engagierten „Rückkehrern“. Deren volle Aufmerksamkeit - und damit Macht - habe er nur bekommen, weil er mit Erwartungen gebrochen, die Bühne betreten und nichts getan, habe.

Von Macht handelt auch das neueste Buch von Klaus Werner-Lobo. In „Uns gehört die Welt. Macht und Machenschaften der Multis“ fühlt der Autor den Machenschaften internationaler Konzerne auf den Zahn und erklärt die Zusammenhänge der Wirtschaftspolitik und unserem Alltag. Auf der undjetzt-Konferenz nährte er mit konkreten Beispielen aus seinen Recherchen den Lust am Widerstand der Teilnehmer.

Hier nur eins von den genannten Beispielen: Das Mineralölunternehmen Shell. Bereits in den 90er Jahren ist bekannt geworden, dass der Energiekonzern in Nigeria eine Fläche in der Größe Bayerns ausgebeutet, die korrupte Militärregierung zu seinen Gunsten gefördert und das Land damit an einer demokratischen Regierung gehindert hat. Was damals noch für skandalöses Aufsehen und öffentliche Kritik sorgte, konnte der Konzern bis heute mittels CSR (Corporate Social Responsibility) vergessen machen.
Dass es sich bei CSR um nichts anderes als Augenwischerei, durch vorgebliche Großzügigkeit multinationaler Konzerne handelt, beweisen die Summen die zwischen Shell und Nigeria fließen. Im Wert von 60 Milliarden US-Dollar hatte Shell das afrikanische Land ausgebeutet. Nach dem Ansehensverlust, den der Konzern um 1995 erlitt, brüstet sich Shell heute damit, für 60 Millionen US-Dollar Schulen und Krankenhäuser in Nigeria zu fördern. Die Kritik hat sich in Bewunderung, Lobreden und Anerkennung gewandelt.
„Das ist, als würde ich jemandem alles wegnehmen und ihm die Nase blutig schlagen. Dann würden alle ‚der Klaus ist ein Arschloch’ sagen, ich daraufhin dem Verletzten zehn Euro geben und als großzügiger Held gefeiert werden“, bringt Klaus Werner-Lobo das Paradoxon auf den Punkt.

Da die großen Unternehmen mit dieser Masche durchkommen und so in der globalisierten Welt Besitzanspruch auf Mensch, Tier und Umwelt erheben, habe sich Werner-Lobo gefragt: „Wem gehört die Welt wirklich?“
Eine Antwort darauf lieferte ihm - und mit der Veröffentlichung auch den Lesern von „Uns gehört die Welt! Macht und Machenschaften der Multis“ – die Universität der Vereinten Nationen in Helsinki. Hier wurde das gesamte Weltvermögen (Geld, Güter, Grundstücke etc.) in Verhältnis zur Weltbevölkerung ermittelt. Die Ergebnisse sind – wenn auch nicht unerwartet – erschreckend.
Die zwei reichsten Prozent der Bevölkerung besitzen mehr als 50 Prozent des Weltvermögens, das reichste Zehntel besitzt rund 80 Prozent. Währenddessen lebt die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung von weniger als zwei Euro pro Tag. Jeder Sechster lebt sogar im Elend – das heißt ohne Nahrung, Wasser, Dach über dem Kopf, Bildung …

Dass Armut und Hunger keine in Welt und Bevölkerungswachstum angelegten Probleme sind, beweist die UNO mit folgenden Zahlen: Die Kapazitäten der Erde reichen um eine Milliarden Menschen, also das Doppelte der Weltbevölkerung, zu ernähren.

Damit schloss Klaus Werner-Lobo seinen Vortrag, betonte, dass es wichtig sei, Mut zu beweisen und mit Spaß zu tun, was einem selbst am meisten liege und übergab das Wort an die Konferenzteilnehmer.
Die stellten dem österreichischen Schriftsteller noch einige Frage, erfuhren individuelles wie allgemeines und verließen schließlich den großen Saal in großer Vorfreude.
Zunächst sollte es Live-Musik geben. Und besonders glückliche Zeitgenossen, fiebern sogar einem Workshop-Tag mit Werner-Lobo entgegen.

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