Daheimgebliebenen von ferner Exotik vorschwärmen? Wenig Chance auf Erfolg. Wer sich seit einem Jahr durch den Bachelor quält, kann die Abenteuer eines Auslandsjahres wahrscheinlich wenig nachvollziehen. Denn Erlebnisse muss man vor allem erst einmal erleben, um darüber sprechen zu können.
Genau so ein gesuchtes Sprachrohr will die Rückkeherekonferenz „Und Jetzt?“ auch sein. Teilnehmer Bernd, der als Freiwilliger in Boliwien war, erhofft sich viel von dem Treffen. „Mir ist es wichtig, dass mein Leben jetzt nicht einfach wieder auf die normale Schiene rutscht. Ich will von den Erfahrungen, die ich gemacht habe, etwas an andere weitergeben, selbst etwas behalten. Ich wünsche mir auch eine Orientierungshilfe, wie es in Zukunft weitergehen könnte.“ Die Veranstaltung gefalle ihm sehr gut, weil er viel Input bekomme, aber auch und gerade wegen der Leute, die er treffe, mit denen er seine Erfahrungen teilen könne. „Jeder von uns wird hier viel mitnehmen. Ich finde vor allem die Intensität der Veranstaltung unglaublich stark, dadurch, dass wir ca 150 Teilnehmerzahl haben, hat man die Chance, sich besser kennen zu lernen.“
Und um das gegenseitige Kennenlernen geht es bei dem Treffen in Potsdam schließlich primär. „Die ganze Sache hier ist ja überhaupt erst aus der Idee heraus entstanden, Leute mit dem selben Erfahrungshintergrund zusammenzubringen und so einen Begegnungsraum zu schaffen.“ David blinzelt zufrieden in die Sonne. Er trägt ein limettengrünes T-Shirt, das bedeutet, David ist kein normaler Teilnehmer, sondern Teil des Teams, das die Konferenz auf die Beine gestellt hat. Er ist der Meinung, dass Entsendeorganisationen oft zu strukturell denken. Das müsse vielleicht auch so sein, damit alles funktioniere und möglichst viele die Chance bekämen, im Ausland Erfahrungen zu sammeln. Um Nachhaltigkeit zu schaffen bedürfe es dann aber mehr, vor allem mehr Individualität.„Die Leute, die herkommen, sollen sehen, was für eine große Sache man auf die Beine stellen kann, wenn man nur will! Wir wollen Mut zeigen und damit auch Mut machen. Erlebbar sein, das ist uns ganz wichtig. Und dass jeder mit seinen individuellen Fragen, die sich ihm stellen, hier bei uns weiterkommt.“
Tatsächlich stehen die Fragen, von denen David spricht, als fette, rote Fragezeichen auf der Stirn der Teilnehmer: Was jetzt? Studium oder erst noch mehr Praxis? Und nach dem Studium? Weiter sozial arbeiten? Oder lieber Karriere machen, die Gehaltsleiter raufklettern? Fragen, die typisch sind für eine Generation, die sich immer entscheiden muss, schon früh anfangen muss zu planen, am Lebenslauf zu basteln und bloß keine Lücke entstehen zu lassen, die später die Bewerbungen kippen lässt.
Aber wer sagt denn eigentlich, dass es lohnenswerter ist, sich durch einen glattgeschliffenen Lebenslauf zu hetzen, als Zeit in soziales Engagement zu investieren?
Vielleicht stimmt es ja. Vielleicht werden die Zeiten stressiger, härter, anspruchsvoller. Vielleicht wird es schwieriger, sich sozial zu engagieren, nach dem Freiwilligendienst noch freiwillige Arbeit dran zu hängen, um weiteres zu schaffen, das bleibt. Doch wenn nicht wir – wer denn dann? Die Veranstalter der Und Jetzt?- Konferenz sind das beste Beispiel dafür, dass es nur Mut und Eigeninitiative bedarf, etwas auf die Beine zu stellen, was Menschen berührt, was Menschen zusammenbringt. Dass das jeder kann, der will. Und dass es sich verdammt noch mal lohnt!
Text von Viviane Petrescu, Fotos von Zeno F. Pensky
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