Samstag, 20. März 2010

Frei und flexibel in die Altersarmut?

Flexibilisierung, Sicherheit, Selbstbestimmung – drei der Schlagworte der Podiumsdiskussion „Leben und Arbeiten in der digitalen Welt“ mit fünf Vertretern aus dem Arbeitsleben: Angestellte und Freiberufler.

Björn Böhning will die Entwicklung in der Arbeitswelt nicht „zurückdrehen, sondern stützen“. Mit „zurückdrehen“ meint der SPDler das, was viele wollen. Zurück zu alten Strukturen, zur 40h Woche, zum festen Arbeitsvertrag mit geregeltem Gehalt. Doch gerade das will Björn Böhning nicht. Im Gegenteil, er möchte die Flexibilität der heutigen Arbeitnehmer stützen, weil er meint, dass diese die Flexibilität wollen.
Diese Ansicht unterstützt Peter Plöger, Verfasser des Buches „Die Arbeitssammler“. Er sagt, der Satz „Lern was anständiges, dann ist dir ein guter Job sicher“ gilt heute nicht mehr.
Das Problem ist für alle auf dem Podium klar: Es gibt viele Selbstständige, aber keine Sicherheit, nur Selbstausbeutung. Die Selbstständigen sind nicht organisiert, sie leiden unter Lohndumping, Stress und dem Zwang ständig flexibel zu sein.
Julia Sillinger, Online-Redakteurin bei der taz, formuliert das Problem kurz und knapp: „Wir brauchen Rahmenbedingungen für Selbstständigkeit und freie Mitarbeit.“

Wie man diese schaffen kann, da ist man sich auf dem Podium nicht so ganz einig, die Einen reden von der Aufgabe der Gewerkschaften, die Anderen von der Aufgabe der Politik. Einer der Zuhörer meint, wenn es in Zeiten von Web 2.0 nicht gelänge, sich zusammen zu tun und für seine Recht einzustehen, dann seien die Selbstständigen doch selber Schuld.
Von einem Zuhörer wird das Modell des „smart workcenter“ vorgestellt, welches in den Niederlanden schon funktioniert. Ein Zentrum, in dem Selbstständige arbeiten und sich gleichzeitig mit anderen austauschen können. Ein weiterer Vorteil: Es gibt sogar eine Kinderbetreuung, damit Familie und Beruf vereinbar bleiben.

Am Ende der Sitzung ist zwar keine Lösung gefunden, aber man ist sich wenigstens einig in dem Punkt, dass man etwas gegen die jetzige Lage tun muss.
Björn Böhning drückt es passend aus: „Es wäre schon eine traurige Schlagzeile, wenn wir nachher frei und flexibel in der Altersarmut gelandet sind.“

1 Kommentar:

  1. Ob es die Herren Böhning oder Plöger hören wollen oder nicht! Mit der industriellen Automatisation hat sich die Anzahl der Fertigungsstunden in der Industrie kaum verändert, obwohl sich die gefertigte Leistung im Volumen verdoppelt hat. Kein Wirtschafts- und Arbeitspolitiker der letzten 20 Jahre hat darauf die richtige Antwort gefunden. Der Ertrag aus der Leistungszunahme ist einseitig verbucht worden und die Arbeitnehmer haben den Kürzeren gezogen. Weder Links, noch rechts oder in der Mitte ist ein Wirtschaftskonzept erkennbar, welches diesem Trend entgegen wirkt. Es ist zu befürchten, dass es erst wieder zu einer Radikalisierung kommen muss. Armes Deutschland.
    Heider Heydrich

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